Gedichte
Kinderreigen
Immer rund und immer rum
Kinder laßt uns drehen!
Wird Euch auch ein bißchen dumm
Schwenkt nur immer um und um
Keiner bleibe stehen –
Dummheit muß vergehen
Dummheit muß vergehen!
Trüber Tag
Grau ist der Himmel und so nah;
Leise Klage tropft der Regen –
Als ich aus dem Fenster sah,
Sprüht’s durchschaudernd mir entgegen –
Als ich still das Fenster schloß,
Fühlt ich dumpf mich und gefangen –
Und in meine Augen schoß
Jenes Naß, dem ich entgangen –
Und mit Augen – tränenblind –
Seh‘ ich durch getrübte Scheiben
Regenschleier, die vom Wind
Umgewirbelt ziellos treiben.
Vossische Zeitung, 1. August 1926
An den Schlaf
Wenn, heißersehnter Schlaf, ich mich dir gebe
Mit ganzem Körper und mit ganzer Seele,
Hüllst du mich ein in dein dichtestes Gewebe,
Daß nichts vom grellen Tag sich in mich stehle! –
Doch hab‘ ich oft verzweifelt dich gerufen
Und eifervoll versucht, dich zu verführen –
War doch ein letzter Rest in mir zu spüren,
Ein leises Wünschen und ein leiser Wille,
Du ließest mich an deinen ersten Stufen
Und nahmst mich nicht in deine große Stille….
Vossische Zeitung, 10. Mai 1928
Einem Toten
Ich finde keine Ruh
Seit dich die Ruhe fand,
Seitdem gegangen du
Ins unbekannte Land –
Du gingst in solcher Hast,
Du hattest keine Zeit;
Ich hab’s noch nicht erfaßt,
Ich war noch nicht bereit;
Ich war noch nicht gestellt
Auf eine solche Last;
Verändert scheint die Welt,
die du verlassen hast.
Vossische Zeitung, 25. November 1928
Jetzt nimm dein Herz…
Jetzt nimm dein Herz in deine Hand
Und halt es fest,
Daß es in einem ehr`nen Band
Liegt eingepreßt.
Und wenn es schlägt und bäumt
Laß es nicht los:
Was du zu tun versäumst,
Wächst riesengroß.
Hältst du es nicht in Zaum,
Kommst du in Not.
Es läßt dir keinen Raum
Und drückt dich tot.
Drum nimm dein Herz
Und zugepreßt!
Geschlossen in ein ehern Band!
So halt es fest!
Vossische Zeitung, 16. April 1929
November
Ein Novembertag ist’s, grau in grau,
Und die ersten Flocken fallen –
Leise, leise tropft der weiße Tau,
Zögernd – feuchte Nebel wallen –
Schnell verschlungen ist der weiße Glanz,
Traurig starrt die nackte Erde –
Und mit fröstelnder Gebärde
Hüllt sie sich in Nebelschleier ganz.
Vossische Zeitung, 14. November 1929
Grau
Nicht Schnee, nicht Nebel:
Grau, das in mich kriecht.
Das jede Pore mir mit Unlust füllt
Und mich von innen her zerknüllt.
Wie diese trübe Feuchte mich zerlaugt!
Und wie ein Schwamm, der gierig in sich saugt,
Zieh‘ alle Widrigkeit in mich hinein.
Und – ausgepreßt – schrumpf ich und werde klein….
Vossische Zeitung, 1. März 1930
Abschied
Ich ging aus deiner Türe
Stand auf der Straße stumm.
Mir war, als ob ich führe
Im Kreise, um und um.
Die Häuser sah ich gleiten,
Ich selbst tat keinen Schritt.
Ich ging wie ohne Schreiten
Und nahm nur dich nicht mit!!!
Vossische Zeitung, 14. Januar 1932
Flehen
Zu A.E.’s 68. Geburtstag
O Herr, von meinen Augen nimm die Binde,
Daß ich als Staub, als Körnchen mich empfinde,
Daß ich mit meinen Augen, die so blinde,
Nicht immer mich und immer mich nur finde. –
Gib mir, o Herr, das Schauen in die Weite,
Gib mir, o Herr, das Wissen um die Ferne,
Daß ich im engen Kreis nicht ewig schreite,
Daß ich erkenne Sonne, Mond und Sterne.
Nimm mir die Schwere, leih mir Deine Flügel.
Laß mich nicht kreisen immer nur im Leeren,
Mein kleines Ich, es schreit nach Deinem Zügel!
Ich weiß um Dich und muß mich doch verzehren.